Die Wiederkunft des Herrn

Jeder ernsthafte Leser der Bibel weiß, dass einige ihrer Textpassagen buchstäblich zu verstehen sind, während andere gleichnishaft gedeutet werden müssen. Viele Missverständnisse darüber, was die Bibel wirklich aussagen will, entstehen dadurch, dass man bei den einzelnen Versen nicht immer weiß, ob die Texte auf Tatsachen beruhen oder ob sie sinnbildlich zu verstehen sind. Wahrscheinlich wird jeder zustimmen, dass die Aussage, "Der Herr ist mein Fels," (Ps. 18,2) gleichnishaft zu verstehen ist. Aber was bedeuten Prophezeiungen wie z. B., dass der Mond in Blut verwandelt werden soll? (Joel 2,31)

Als vor etwa 350 Jahren Galileo Galilei lehrte dass die Erde ihre Bahnen um die Sonne zieht, wurde er dafür zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt. Die Inquisitoren bestanden darauf, dass sich nach der biblischen Lehre die Sonne bewegt und die Erde fest steht. Vom Standpunkt der Inquisition schien dies auch so zu sein, denn zum einen machten sie jeden Tag die Erfahrung, dass die Sonne morgens im Osten Aufgeht und abends am Westhorizont versinkt. Zum anderen konnten sie in der Bibel nachlesen, dass die Sonne auf und unter geht und läuft an ihren Ort, dass sie wieder daselbst aufgehe. (Pr. 1,5) Im Zeitalter der Weltraumfahrt wissen wir natürlich, dass dem nicht so ist. Von daher ist klar, dass man solche Aussagen in der Bibel nicht buchstäblich nehmen darf.

Vor zweitausend Jahren warteten die israelitischen Menschen auf die Ankunft eines Erlösers, der sie aus der Unterjochung von den Römern befreien sollte. Als Jesus sein Lehramt antrat, unterschied Er sich so extrem von dem, was die Menschen erwarteten, dass sie Ihn nicht erkannten. Sie dachten, dass der Erlöser ein prachtvoller König sein würde, ein Militärheld. Sie erwarteten von ihm, dass er die israelische Streitmacht siegreich von Schlacht zu Schlacht führt und so Israel zu einer neuen Weltmacht aufsteigen würde. Sie stellten sich den Erlöser gleichsam wie einen Hurrikan der Weltpolitik vor und bemerkten gar nicht, dass er wie eine leichte frische Brise kam. So kam es, dass in jener Zeit viele Menschen die Ankunft des Herrn nicht bemerkt hatten, denn sie deuteten die Prophezeiungen auf eine sehr buchstäbliche Art.

Jesus zeigte seinen Jüngern, dass viele Prophezeiungen über Sein Kommen symbolisch zu verstehen sind. So sagt z. B. eine Prophezeiung, dass Jesus nur die Kinder Israels erlösen würde. Er aber erklärte ihnen, dass all diejenigen Kinder des israelitischen Gottes sind, die Sein Wort hören und befolgen. (Joh. 8,37-47; Matth. 3,9; Kol. 3,11; Gal. 3,28; Rö. 3,29. 10,12) Oder, wie Paulus sagte: "sondern das ist ein Jude, der's inwendig verborgen ist, und die Beschneidung des Herzens ist eine Beschneidung, die im Geist und nicht im Buchstaben geschieht." (Rö. 2,28-29)

Den Juden waren die Prophezeiungen des alten Testaments über das Kommen des Herrn bekannt. Dort heißt es z. B. "Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf; die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt." (Joel 2,30-31) Einige, die diese Prophezeiungen gelesen hatten, erwarteten beim Kommen des Messias Naturkatastrophen und große politische Umwälzungen. Aus der Bibel kann man erfahren, dass diese Prophezeiungen beim Kommen des Herrn erfüllt wurden. (Apg 2,14-21) Allerdings nicht so, wie es sich die damaligen Juden vorgestellt hatten.

Jesus strebte statt eines weltlichen Königreiches mit vielen äußeren Kämpfen ein himmlisches Königreich an, in dem die Kämpfe geistiger Natur sind. (Joh. 6,15; Luk. 22,49; Matth. 26,52) "Mein Reich ist nicht von dieser Welt," sagte Er, "wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von dannen." (Joh. 18,36) Oder wie Paulus später sagte: "Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel." (Eph. 6,:12) In vielen Situationen wies der Herr immer wieder darauf hin, dass sich die Prophezeiungen der Thora hauptsächlich auf geistige und nicht auf politische Ereignisse beziehen. Während Jesus auf dieser Erde weilte, hat Er sehr wenig getan, um die natürliche Ordnung der Welt zu verändern. Nach Ihm sind Königreiche aufgestiegen und gefallen. Es gibt weiterhin noch Kriege, Hungersnöte und bösartige Seuchen, Geburten, Hochzeiten und Todesfälle. Aber auf geistigem Niveau haben sich einige Dinge geändert. Er hat die Macht der Hölle überwunden und eine neue Ära der geistigen Freiheit eingeleitet.

So wie das erste Kommen des Herrn letztendlich ein geistiges war, wird auch die Wiederkunft des Herrn eine geistige sein. Wir brauchen gar nicht nach dramatischen politischen oder klimatischen Veränderungen Ausschau halten, denn das Königreich des Herrn wird weder aus einer gerechten Menschenregierung bestehen noch wird es geographisch zu lokalisieren sein. Sein Königreich wird etwas mit der Umbildung des menschlichen Verstandes zu tun haben und sich durch ein Leben nach den göttlichen Gesetzen auszeichnen. Die Zeichen seines Kommens sind die Änderungen in den Herzen der Menschen. "Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; man wird auch nicht sagen: Siehe hier! oder: da ist es! Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch." (Luk. 17,20-21)

ls Jesus das erste Mal auf diese Erde kam, veränderte Er die Welt mit seinen Wahrheiten. Als Pilatus Jesus fragte, welche Art von König er sei, antwortete Er: "Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme." (Joh. 18.37) Seine Wunder heilten einige Menschen, doch Seine Wahrheiten heilten unzählige Menschen. Er sagte: "Ihr seid meine rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." (Joh. 8,31)

Jesus hat uns versprochen, dass Er uns bei Seinem zweiten Kommen noch tiefere Wahrheiten und Erkenntnisse schenken wird. "Solches habe ich zu euch in Gleichnissen geredet. Es kommt aber die Zeit, dass ich nicht mehr durch Gleichnisse mit euch reden werde, sondern euch frei heraus von meinem Vater verkündigen werde." (Joh. 16,25)

Gott ist ein allgegenwärtiger Geist, der weder durch Raum noch durch Zeit begrenzt wird. Von daher kann man nicht wirklich sagen, Gott "kommt" oder "geht". Gott kam nicht zur Erde, denn Er war und ist ja bereits überall. Doch in Jesus konnte sich Gott manifestieren und seine Wahrheit verkünden. Der Herr sprach davon, dass seine Wiederkunft die Enthüllung seiner Wahrheit sein würde. Er sagte, dass er als der Geist der Wahrheit kommen würde. "Ich habe euch noch vieles zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, so wird er euch in alle Wahrheit leiten; denn er wird nicht von sich selber reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und was da kommen wird, wird er euch ansagen. Derselbe wird mich verherrlichen; denn von dem meinigen wird er nehmen und es euch ansagen." (Joh. 16, 12-14) "Ihr aber erkennt ihn, weil er bei euch bleibt, und in euch sein wird. Ich will euch nicht Waisen lassen; ich komme zu euch." (Joh. 14, 15-18)